Rudi Mueller
Constanze Knaack-Schweigstill

Verabschiedung20 Jahre am Ruder – Präsident Rudi Müller geht im Dezember in den Ruhestand

DHB: Herr Müller, lange vor Ihrer Wahl zum Präsidenten im Jahr 2005 haben Sie sich immer wieder für die Aus- und Weiterbildung im Handwerk starkgemacht. Warum ist Ihnen das Thema so wichtig?

Müller: Die Aus- und Weiterbildung ist die Zukunfts­sicherung des Handwerks! Deshalb müssen wir hier alle Anstrengungen unternehmen und auf dem neues­ten Stand sein. Die Digitalisierung und die Umsetzung der Klimaziele erfordern eine solide Ausbildung und konsequente Weiterbildung. Nur so können wir den großen Herausforderungen gerecht werden! 

DHB: Und das neue Ausbildungszentrum Campus Hand­werk bietet dafür ja ideale Voraussetzungen?

Müller: Ja, unser Campus Handwerk gehört zu den mo­dernsten und energieeffizientesten handwerklichen Ausbildungszentren in Deutschland. Es ist das erste dieser Art in Passivhausbauweise. Dort erreichen wir langfristig die besonderen und hohen Anforderungen an eine zeitgemäße und zukunftsorientierte Aus- und Weiterbildung. Über Praktika, Lehrlingsausbildung, Meisterausbildung bis hin zu den speziellen Heraus­forderungen zur Erreichung der Klimaziele! Und die Ausbildungsinhalte werden laufend optimiert.

DHB: Sie haben mit Nachdruck den richtigen Umgang mit Praktikanten und Lehrlingen gefördert. Was hat Sie dazu bewegt, einen Praktikumsleitfaden zu entwickeln?

Müller: Man muss junge Leute mit ihren Besonderhei­ten annehmen, wertschätzen und sie mit Herzblut in einem spannenden Praktikum gewinnen. Der Prakti­kant muss erkennen, dass man ihn als Azubi haben will und dass es sich lohnt, gerade in diesem Betrieb und in diesem Handwerk zu bleiben. Der Leitfaden schafft eine besondere Sensibilisierung im gesamten Unter­nehmen. Betriebe, die unsere Anregungen umgesetzt haben, sind bei den Schülern für gute und interessan­te Praktika bekannt. Sie haben auch in schwierigen Zeiten einen guten Zulauf mit Auswahlmöglichkeiten und gute Lehrabschlüsse. 

DHB: Der Umgang mit Neuzugängen spielt bei der Nach­wuchs- und Fachkräftesicherung also eine große Rolle?

Müller: Durchaus! Betriebe können meiner Ansicht nach nur dann dauerhaft erfolgreich sein, wenn sie dazu bereit sind, sich weiterzuentwickeln. Denn wenn wir in den Handwerksbetrieben und in -verbänden nicht mit der Zeit gehen, gehen wir mit der Zeit! Oh­ne Lehrlinge keine Gesellen, keine Meister, keine Nachfolger. Wir müssen unsere Mitarbeiter begeis­tern und sie an Bord halten. Das funktioniert nur mit einer zeitgemäßen Unternehmenskultur. Attraktive Arbeitgeber haben es leichter, Auszubildende und Fachkräfte zu gewinnen und zu binden. 

DHB: Wie haben Sie es als Kammerpräsident geschafft, den Blick der Kammer auf die Bedürfnisse der Betriebe zu richten?

Müller: Als langjähriger und selbstständiger Schrei­nermeister kenne ich die die Praxis natürlich sehr gut. Meine täglichen Erfahrungen, Erkenntnisse, Nöte, Sorgen und Erwartungen als Unternehmer waren die Basis für mein Engagement als Präsident. Der Aus­tausch mit Kollegen aus den Innungen, Kreishand­werkerschaften und Unternehmerverbänden war für mich immer wichtig und unerlässlich. Die HWK ist eine Interessenvertretung des Handwerks mit Rechtsauf­sicht, hoheitlichen und freiwilligen Betreuungsleis­tungen sowie Verwaltung für unsere Mitglieder. Es ist eine besondere, nicht einfache Aufgabe, dies mit den Betrieben zu harmonisieren und die Erwartungen von uns Handwerkern mit den Vorschriften und Zwän­gen abzustimmen und auszubalancieren! Ich glaube, wir haben das ganz gut erreicht – gemeinsam mit Verständnis, Akzeptanz, Respekt, Arbeitsfreude und auch Kundenorientierung! 

DHB: Sie unterstützen Projekte, die junge Menschen aus Nepal und Ruanda in eine handwerkliche Ausbildung nach Deutschland vermitteln. Welche Chancen sehen Sie hier für das Handwerk?

Müller: Diese jungen Menschen sind engagiert, aus­gewählt und sprachlich vorgebildet. Sie engagieren sich in der Ausbildung, sind sehr motiviert und wollen meist über die Lehre hinaus für etliche Jahre oder für immer bei uns im Handwerk arbeiten. Nicht zuletzt helfen sie uns dabei, den Fachkräftemangel zu lin­dern. Ich kenne hier viele positive Beispiele. 

DHB: Neben der praktischen Ausbildung haben Sie auch immer die Zusammenarbeit zwischen Handwerk und Hochschule bzw. Universität sowie anderen Instituti­onen betont. Welche Potenziale sehen Sie darin?

Müller: Für uns Handwerker ist Wissenstransfer sehr wichtig. Es gibt eine gute Zusammenarbeit im dualen Studium und im Bereich erneuerbarer Energien. Ein großes Potenzial sehe ich noch in der Zusammenarbeit mit dem Fachbereich Architektur und Gestaltung. Das wäre eine besondere Win-Win-Situation und eine sehr bereichernde Verknüpfung von Theorie und Praxis! 

DHB: Sie haben sich auch stark für interregionale Zu­sammenarbeit und die Vernetzung in der Großregion engagiert. Wie relevant ist die grenzüberschreitende Kooperation im Handwerk?

Müller: In der Großregion grenzen fünf Teilregionen in vier Ländern direkt aneinander. Das ist einmalig in Europa – ein besonderer Wirtschaftsfaktor und eine große, länderübergreifende Chance für das gesamte Handwerk! Wir bemühen uns, dies zu nutzen.

DHB: Was haben Sie durch Ihre Präsidentschaften im Interregionalen Rat der Handwerkskammern der Groß­region (IRH) und Wirtschafts- und Sozialausschuss der Großregion (WSAGR) erreichen können?

Müller: Im IRH greifen wir die speziellen Herausfor­derungen des Handwerks auf und arbeiten an Ver­besserungen sowie politischer Wahrnehmung in der grenzüberschreitenden Zusammenarbeit. Dabei geht es etwa um den Abbau von Hemmnissen, um grenz­überschreitende Chancen mehr zu nutzen, etwa in der Aus- und Weiterbildung, in der Fachkräftegewinnung, in der Verkehrsoptimierung und bei der Umsetzung der Klimaziele. Im Wirtschafts- und Sozialausschuss der Großregion arbeiten wir grenzüberschreitend mit unseren Sozialpartnern zusammen und richten unsere politischen Forderungen regelmäßig an den Gipfel der Großregion und die europäischen Gremien. Die unterschiedlichen Ländersysteme müssen ja übereinandergelegt und harmonisiert werden. Es gibt ständige, manchmal auch mühsame Fortschritte! 

DHB: Auf welche weiteren Erfolge oder Entwicklungen aus Ihrer Amtszeit sind Sie besonders stolz?

Müller: Unsere HWK in Trier muss sich besonderen Herausforderungen stellen. Sie gehört zu den kleins­ten Kammern in Deutschland und muss daher ihre Entscheidungen immer sehr gut abwägen. Mit Mut und Weitblick haben wir zusammen die erforderlichen Verbesserungen, Veränderungen und Modernisierun­gen umgesetzt, um die Zukunft zu sichern – etwa den Bau des neuen Bildungszentrums. 

DHB: Zum Abschluss: Was wünschen Sie Ihrer Nachfol­gerin oder Ihrem Nachfolger?

Müller: Eine sichere Hand, viel Erfolg und Gremien, die so harmonisch und engagiert sind, dass man fast an ein Orchester glaubt – auch wenn´s mal schiefe Töne gibt. Vor allem: Dass er oder sie, so wie ich, ganz viel Freude an diesem einzigartigen Ehrenamt hat.