Landeshandwerkskonferenz Rheinland-Pfalz Zeit zu machen!
Es ist zwar das Motto zum Bürokratieabbau, doch „Zeit zu machen“ passt auch zu allen anderen Themen wie Wärmewende, Europawahlen und Fachkräftemangel auf dem Spitzentreffen des rheinland-pfälzischen Handwerks. In zwei Resolutionen positionierten sich die Vertreter unmissverständlich für einen schnellen Bürokratieabbau und ein weltoffenes Handwerk für Menschen jedweder Art.
Austausch und Dialog – das waren die Schlüsselworte der Landeshandwerkskonferenz Rheinland-Pfalz am 13. März 2024 im Spiegelsaal des Kurfürstlichen Schlosses in Mainz. Die Vertreter des rheinland-pfälzischen Handwerks, das sind die Arbeitsgemeinschaft der Handwerkskammern Rheinland-Pfalz, der Unternehmerverband Handwerk RLP e. V. und der Landesverband der Kreishandwerkerschaften in Rheinland-Pfalz, hatten sich zum intensiven Austausch zusammengefunden. Auf der Agenda der handwerklichen Spitzenvertreter des Landes standen die Themen Bürokratie, die Europawahl, Wärmewende und Vielfalt im Handwerk sowie ein Impulsvortrag von Dirk Palige, Geschäftsführer des Zentralverbands des Deutschen Handwerks (ZDH), der aus erster Hand über die politischen Entwicklungen in Berlin berichtete.
Ein wichtiges Signal setzten die Konferenzteilnehmer darüber hinaus als Dachmarke „Handwerk RLP“. Die Handwerksorganisationen im Land sprechen mit einer Stimme und setzen sich für die Gesamtinteressen des Handwerks geschlossen ein. „Diese Einheitlichkeit im Senden von Botschaften ist die Grundlage von Glaubwürdigkeit. Meinungsbildung wiederum muss im offenen Austausch und in Konferenzen wie dieser stattfinden. Das ist die Grundlage für die Durchsetzung unserer Interessen“, machte Kurt Krautscheid als Sprecher der Arbeitsgemeinschaft der Handwerkskammern in seiner Begrüßung deutlich.
Mit gleich zwei einstimmig beschlossenen Resolutionen zeigte die Landeshandwerkskonferenz eine beeindruckende Geschlossenheit. In der Resolution „Zeit zu machen: Bürokratie jetzt abbauen“ forderte das Landeshandwerk die Politik in Rheinland-Pfalz, aber auch in Berlin auf, Mittelständler vom Würgegriff der Bürokratie zu befreien. „Denn für drei von vier Handwerksbetrieben sind ständige Anpassungen an neue Vorgaben der größte Belastungsfaktor im Alltag, gefolgt von Nachweis- und Dokumentationspflichten, die 54 Prozent aller Handwerksbetriebe als belastend empfinden“, führte Axel Bettendorf, Hauptgeschäftsführer der Handwerkskammer Trier und Geschäftsführer der Arbeitsgemeinsacht der vier Handwerkskammern, aus.
Die Folge: Selbstständigkeit wird zunehmend unattraktiv, so dass aktuell schon ein Drittel der Meisterkursabsolventen wegen der Bürokratiebelastung den Schritt zur Existenzgründung scheut. So fordert die Landeshandwerkskonferenz unter anderem eine Digitalisierung der Verwaltung, verlässliche Bearbeitungszeiten von Anträgen, eine „One in, Two out“-Regel (für jede neue Vorschrift werden zwei alte gestrichen) und einen Bürokratielotsen, die sich um die Koordination von Vorgaben zwischen den Behörden kümmert, so dass es nur noch einen Ansprechpartner für das Unternehmen gibt.
Dr. Martin Hummrich, Leiter der Abteilung Mittelstand, Innovation im rheinland-pfälzischen Wirtschaftsministerium, räumte in seinem Grußwort ein, dass die Bürokratie ein Übermaß erreicht und sich „Deutschland ausgebremst“ habe. Er begründete die Bürokratie im Bedürfnis nach mehr Sicherheit in Zeiten unsicherer Rahmenbedingungen. Einig waren sich Handwerk und politische Vertreter, dass Bürokratieabbau auch mehr Eigenverantwortung mit sich bringe und das Handwerk mehr bei Entscheidungen beteiligt werden müsse. Hummrichs konkreter Vorschlag: Er werde anregen, dass das Handwerk „einen Vertreter beim Treffen der Datenschutzbeauftragten“ entsende, weil es dort sonst zu weltfremd einhergehe.
Wie wichtig die Befreiung vom Joch der Bürokratie sei, zeigte auch die Diskussion um die Europawahl in diesem Juni. Das Handwerk und Deutschland profitieren von Europa enorm – und das müsse man auch deutlich anstatt immer nur auf die negativen Erscheinungen aufmerksam zu machen. Hier gelte es, in jedem Betrieb in Dialog mit dem Team und insbesondere den Azubis zu treten, da erstmals auch die 16-Jährigen wählen dürfen. Denen gelte es, Europa näher zu bringen.
In Sachen Wärmewende zeigte sich das Handwerk gut aufgestellt. Vor allem deshalb, weil sich verschiedene Schwerpunkt-Gewerke kooperativ in diesen Prozess einbringen. So arbeiten etwa Dachdecker, Elektriker und Sanitär-Heizung-Klima-Betriebe eng zusammen, um den Kunden höchste Qualität und Kompetenz beim Einbau von Wärmepumpen, PV-Anlagen & Co. zu garantieren. Einzige Hürde sei nur der Fachkräftemangel, um Kunden möglichst schnell die gewünschte Wärmewende ins Haus zu bringen.
Dabei zeigt sich das Handwerk offen für Nachwuchskräfte aus allen Bereichen und Regionen. Vor allem aber setzte die Landeshandwerkskonferenz mit der Verabschiedung der Resolution „Handwerk für Vielfalt und Zusammenhalt“ ein weiteres Zeichen für die Weltoffenheit der Betriebe. Menschen unabhängig von ihrer Herkunft und Religion sind im Handwerk willkommen und „Grundlage unseres Erfolgs“, so die Resolution.
In seinem Vortrag „Impuls aus Berlin“ machte ZDH-Geschäftsführer Dirk Palige noch mal klar, dass auch die Politik in Berlin angesichts der äußeren Entwicklungen besorgt sei und das Bedürfnis nach Sicherheit der Bevölkerung erkannt habe. „Die internationale Lage, stark geprägt durch Krisen und Konflikte, liefert auch ein Szenario für das Handwerk in Deutschland, insbesondere mit Blick auf die Bildungssicherheit und Lieferketten.“ Der Druck auf die Politik sei für alle sichtbar, aber zu häufig fehle noch das Signal aus dem politischen Lager „Wir haben verstanden“. Mit Aktionen hatte die bundesweite Spitzenvertretung des Handwerks auf Bürokratiehemmnisse, aber auch auf die Wichtigkeit von Europa für das Handwerk aufmerksam gemacht „ohne hier zusätzlichen Druck aufzubauen. Stattdessen müssen wir alle Ventile einbauen, als Teil einer Gesamtstrategie.“ Auf diesem Wege seien die Botschaften des Handwerks in der Politik angekommen und werden ernst genommen. „Doch gerade im finanziellen Bereich wurde bereits signalisiert, aufgrund der Haushaltslage sei der Spielraum sehr eng, weil die Mittel fehlen. Aktiv sei der ZDH mit Blick auf das Bürokratieentlastungsgesetz, dem Wachstumschancengesetz und dem 14-Punkte-Programm-Bau, um mehr für Handwerk und Mittelstand zu erreichen.“ Die Chancen für Entlastung stehen aber schlecht: Vom Finanzministerium kam schon die Anfrage, wo man pauschal Gelder streichen oder zumindest senken könne. Spüren dürfte das vor allem die finanzielle Ausstattung in der Aus- und Weiterbildung. Die einst klare Drittelfinanzierung – Handwerk, Land und Bund – steht gerade angesichts der Kostensteigerung auf wackligen Füßen.
Vier Stunden Landeshandwerkskonferenz boten nicht nur vielfältige Informationen und Themen, sondern auch die Möglichkeit für die rund 100 Teilnehmer, Fragen zu stellen und eigene Erfahrungen einzubringen – wovon reger Gebrauch gemacht wurde.