VollversammlungNicht kaputtreden, sondern mehr wertschätzen!
„Viele Wirtschaftsexperten sehen Deutschland auf dem Weg in die Rezession“, sagte Vizepräsident Bernd Elsen in Vertretung von Hauptgeschäftsführer Axel Bettendorf auf der HWK-Herbstvollversammlung. „Nach unserer Herbst-Konjunkturumfrage und Gesprächen mit der Kreditwirtschaft kann ich aber sagen: Das regionale Handwerk behauptet sich in der Wirtschaftskrise. Viele Unternehmen haben sich inzwischen von den Herausforderungen der letzten Jahre erholt. Etwa 92 Prozent der befragten Unternehmer zeigen sich mit der aktuellen Geschäftslage zufrieden. Das sind rund 7 Prozent mehr als vor einem Jahr.“
Allerdings käme die Sorge vor einer Krise am Bau zum Ausdruck. 38 Prozent würden von einem Rückgang des Auftragsbestands ausgehen, gab der Elektromeister aus der Herbstumfrage wieder. Die Auftragsreichweite von über zehn Wochen sei noch hoch, jedoch rückläufig. Laut Umfrage würde aber immerhin rund die Hälfte mit einem gleichbleibenden Auftragsbestand rechnen, so der Vize. „Steigende Zinsen, hohe Energie- und Materialpreise, aber auch die überbordenden und oft unsinnigen bürokratischen Auflagen – gerade im Neubau ist die Lage alarmierend.“
Das Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom 15. November mache die Lage nicht einfacher, so Elsen: „60 Milliarden Euro müssen aus dem sogenannten Klima- und Transformationsfonds gestrichen werden. Neben dem Bundeshaushalt werden auch die Haushalte der Länder betroffen sein. Die Verunsicherung in der Politik, aber auch bei Unternehmen und Verbrauchern ist groß. Die Ampelkoalition ist nun gefordert, schnellstmöglich tragfähige Lösungen zu präsentieren, damit alle Akteure Planungssicherheit haben.“
Trotz dieser schwierigen Rahmenbedingungen geht die HWK davon aus, dass sich die regionalen Handwerksbetriebe behaupten werden. „Die Eigenkapitalausstattung der Betriebe ist gut. Die Banken und Sparkassen schätzen unsere Mitgliedsbetriebe als flexibel und krisenfest ein. Aktuell haben wir fast keine Insolvenzen. Während der großen Krise am Bau vor 20 Jahren hatten wir dagegen 50 bis 60 Konkurse jährlich“, so Elsen. Auch die Zahl der Betriebsgründungen sei nach wie vor höher als die Zahl der Betriebsabmeldungen, betonte er.
Man dürfe die Wirtschaft und besonders das Handwerk nicht kaputtreden. „Wenn wir immer nur klagen, wie schlecht es uns geht: Wer wird dann noch sein Kind zur Ausbildung ins Handwerk geben? Welche Fachkraft wird sich dann bei uns bewerben? Wir müssen mit Optimismus und Tatkraft die Aufgaben angehen und sie lösen. Das gilt auch für die zugegebenermaßen schwierige Lage auf dem Fachkräftemarkt.“
Elsen erläuterte auch die Situation im Ausbildungsmarkt. Ende Oktober 2023 waren bei der HWK 1,7 Prozent weniger neue Lehrverträge eingetragen als im Vorjahr. Näher betrachtet ergibt sich ein differenziertes Bild: Während die Bereiche Kfz, SHK, Elektro und Dachdecker mehr neue Lehrlinge verzeichnen als 2022, bleiben bei den Metallbauern nun mehr Stellen offen. Der 2022 stark vom Rückgang betroffene Lebensmittelfachverkauf bleibt mit 3 Prozent im Plus. „Unser Hauptaugenmerk wird auch im nächsten Jahr darauf ausgerichtet sein, neue Auszubildende zu gewinnen und die bereits im Handwerk tätigen auch im Handwerk zu behalten“, sagte Elsen.
Kammerpräsident Rudi Müller plädierte für mehr Wertschätzung des Handwerks und eine bessere Schulbildung. Der Staat müsse sich wieder auf seine Kernbereiche konzentrieren, und die Steuerschraube dürfe nicht überdreht werden. Im Zusammenhang mit dem Fachkräftemangel sprach er sich unter anderem dafür aus, dass Menschen mit Migrationshintergrund und Asylsuchende „eine Sprachausbildung brauchen, direkt von Anfang an. Wir müssen ihnen die Wichtigkeit von Ausbildung, Weiterbildung und Arbeitssuche vermitteln und sie möglichst schnell in Arbeit bringen – besonders Jugendliche. Ganz wichtig ist auch, dass die Arbeitserlaubnis entbürokratisiert wird und Behörden sich stärker vernetzen.“
„Mehr Netto vom Brutto“ und „Leistung muss sich lohnen – ein Arbeitsverhältnis muss attraktiver sein als Sozialleistungen!“ hält Müller nach wir vor für erstrebenswert. Und: „Qualifizierte Arbeit muss deutlich mehr bringen als einfache Tätigkeiten! Dafür müssen Anreize geschaffen werden!“ Darüber hinaus kritisierte er Belastungen wie beispielsweise übermäßige Bürokratie. Das Nachwiegen von Brothälften etwa nannte er ein „Beispiel für ausufernde Regulierungen“. Er beklagte auch die hohen Energiepreise: „Strompreissenkungen darf es nicht nur für die Industrie geben!“ Auch im Arbeitsrecht, etwa wenn Überstunden anfallen, müssten mehr Spielräume und Flexibilität geschaffen werden, sagte Müller.