Man muss dafür gemacht sein

Karussell-Element

Bundessiegerin Bestatterin Pia Hoehl
Constanze Knaack-Schweigstill HWK Trier

LeistungswettbewerbMan muss dafür gemacht sein

„Bestatterin? Echt jetzt?“ Derartige Kommentare hört Pia Hoehl öfter, wenn sie nach ihrem Beruf gefragt wird. „Die Reaktionen reichen von Abneigung bis Interesse. Die meisten Menschen sind aber dafür aufgeschlossen, mehr darüber zu erfahren. Dann nutze ich gerne die Gelegenheit, mit Vorurteilen über meinen Beruf aufzuräumen“, sagt die aus Pellingen stammende junge Frau. Ihr Einfühlungsvermögen, ihre Wortgewandtheit und innere Stärke lassen keinen Zweifel daran, dass die 22-Jährige Berührungsängste abbauen kann. „Manchmal ergibt sich ein solcher Austausch sogar auf einer Party. Man muss aber ein Gespür dafür haben, ob die Situation für sensible Gesprächsthemen geeignet ist.“

Beim Girls’Day erste Einblicke in den Beruf

Erste Einblicke in die Arbeit einer Bestattungsfachkraft erhielt Pia bereits während ihrer Schulzeit in Trier. Als 14-Jährige hatte sie am Girls‘ Day teilgenommen, der jährlich Ende April stattfindet. Dass ihre Wahl ausgerechnet auf ein Bestattungsinstitut fiel, ist ihrer Mutter zu verdanken. Die Kinderkrankenschwester ahnte, dass der Bestatterberuf gut zu ihrer Tochter passen würde. Schon als junges Mädchen hatte Pia sich mit vielen Fragen zum Tod und dem, was danach kommt, an ihr Umfeld gewandt. „Nach dem Girls‘ Day bei Bestattungen Grandjean in Trier hatte ich genug Zeit, meinen Berufswunsch zu überdenken. Nach einem zweiwöchigen Praktikum habe ich mich dann für eine Ausbildung zur Bestattungsfachkraft entschieden“, sagt Pia. Nach ihrer Wanderung auf dem Jakobsweg 2019 war sie sich dann ganz sicher. „Ich verstehe meinen Beruf als Berufung. Man muss dafür gemacht sein“, sagt die umsichtige junge Frau.

Bundessiegerin Bestatterin Pia Hoehl
Constanze Knaack-Schweigstill HWK Trier

Umgang mit Trauernden ist Teamarbeit

In der Ausbildung hat Pia alles, was eine Bestattungsfachkraft wissen muss, gelernt: Hygiene,  Grabtechnik, Friedhofswesen, Krematoriumstechnik, Bestattungsgesetze und vieles mehr. Ihr großes Fachwissen kommt Pia tagtäglich zugute. „In unserem Beruf ist es oberstes Gebot, die Angehörigen in schweren Stunden und die Verstorbenen auf ihrem letzten Weg kompetent zu begleiten. Wir möchten unseren Kunden die Sicherheit geben, dass das Begräbnis als letzte Erinnerung an einen Verstorbenen ohne Zwischenfälle abläuft. Daher müssen wir vorbereitet sein, wenn einmal etwas nicht nach Plan verläuft.“ So sei es beispielsweise schon vorgekommen, dass der Pfarrer zum Begräbnistermin im Stau stand und auch die Chefin unvorhergesehen ausfiel. „In solch einer Situation ist es wichtig, dass weder wir noch die Angehörigen in Panik verfallen. Einmal bin ich spontan eingesprungen und habe dann die Trauerrede gehalten“, erinnert sich Pia. „Die Trauergemeinschaft war davon sehr angetan und dankbar.“ Der Beruf bringt es mit sich, dass Pia sich jetzt schon Gedanken über ihre eigene Bestattung macht. „Auf jeden Fall werde ich sie von langer Hand gut planen“, sagt Deutschlands zweitbeste Bestattungsfachkraft. „Wenn mir an der Gestaltung eines Begräbnisses etwas besonders gut gefällt, dann notiere ich mir das.“ Durch Schreiben verarbeitet Pia ihre Gedanken und Gefühle. „Wenn Kinder oder Gleichaltrige versterben oder  Menschen auf besonders tragische Weise ums Leben kommen, geht mir das besonders nahe. Ich kann meine Gedanken nicht einfach an der Haustür abstreifen. Glücklicherweise kann man sich im Team über Trauerfälle austauschen und außerdem üben, Sterbefälle nicht so nah an sich heranzulassen.“

„Auch wenn die Themen freudlos klingen mögen: Bestattungsfachkräfte laufen nicht wie Trauernde durch die Gegend. Lachen und Trauern müssen sich nicht gegenseitig ausschließen“, sagt Pia, die in ihrer Freizeit nicht viel Action braucht, sondern lieber liest, Serien schaut, gerne kocht und Spieleabende mag. „Wenn es zur verstorbenen Person passt, finde ich es tröstlich und sogar schön, wenn in unserem Trauercafé auch mal gelacht wird. Oder wenn im Rahmen einer Beerdigung ein fröhliches Lied angestimmt und damit das Leben gefeiert wird.“ Ihren Freund, ebenfalls Bestattungsfachkraft, hat sie im Bundesausbildungszentrum der Bestatter im fränkischen Münnerstadt kennengelernt. Jetzt wohnen beide in Neuss. „Erstmal möchte ich Erfahrungen in meinem Handwerk sammeln und mich weiterbilden, eventuell zur Trauerrednerin“, sagt Pia. „Später folgt vielleicht der Meisterbrief, ein Theologiestudium oder eine Karriere als Autorin. Mit meiner Ausbildung stehen mir viele Türen offen.“