Innovative Formate für Azubis, Ausbilder und Betriebe Digitales Lehren und Lernen im Handwerk
Celin macht eine Ausbildung zur Fahrzeuglackiererin. In der überbetrieblichen Lehrlingsunterweisung an der Handwerkskammer Trier steht heute das Beschichten eines Kotflügels auf dem Stundenplan. Die junge Frau achtet darauf, zügig, sauber und gewissenhaft zu arbeiten. Während ihrer Übung ist sie mit einer Virtual-Paint-Station verbunden und übt das Lackieren virtuell, also ganz ohne Lack. Vom System erhält sie ein detailliertes Feedback über ihre Arbeitsweise, die Lackiergeschwindigkeit, den Lackverbrauch, die Farbabdeckung, die Gleichmäßigkeit des Auftrags und anderes. Mit VR-Brille und Handlackierpistole erlernt sie das Beschichten diesmal ohne Farbe, Druckluft, Werkstück, extra Raum und Arbeitskleidung – aber mindestens genauso schnell und gründlich wie ihre Lehrlingskollegen, die nebenan in der realen Lackierkabine üben. Nach der Übungseinheit wird getauscht und ein anderer Lehrling macht sich virtuell ans Werk. Denn die Arbeit mit computergenerierter 3D-Bild-Wirklichkeit ersetzt nicht den traditionellen Unterricht, sondern unterstützt ihn.
Längst nicht alle Kammern arbeiten schon damit: Trier ist im Rahmen des Projekts „Digitale Lehr- und Bildungsformate im Handwerk“ bundesweit mit unter den Vorreitern. Medienpädagoge Lucas Janster und Projektmitarbeiter Christian Posselt setzen die Projektziele um: Janster medienpädagogisch und Posselt technisch. Sie arbeiten mit Beschäftigten des Lehrbetriebs zusammen und helfen ihnen dabei, ihren Unterrichtsstoff mithilfe der Digitalisierung effektiver und kreativer zu gestalten. Es geht auch um Einbindung digitaler Lernplattformen und Tools. Vorhandene digitale Fähigkeiten der Ausbilder sollen berücksichtigt und erweitert werden.
Dazu bieten die Projektmitarbeiter fortlaufend und kostenfrei Coachings und Seminare in Präsenzform sowie Online-Schulungen in verschiedenen Bereichen der Digitalisierung an. Die Teilnehmenden werden dabei an eine Lernplattform angebunden. Diese Plattform soll die Fähigkeit von Lehrenden, Wissen an junge Menschen zu vermitteln, digital unterstützen. Das individuelle Coaching ist jeweils auf die Lehrtätigkeit zugeschnitten und am persönlichen Bedarf der Teilnehmenden ausgerichtet.
Die Digitalisierung eröffnet sowohl Lehrenden als auch Lernenden neue Möglichkeiten. „Auf diese Weise lässt sich der Unterricht kreativer und anschaulicher gestalten“, sagt Lucas Janster. Die Ansprüche seien unterschiedlich, betont er, „von niederschwellig bis hoch“. Im Kern gehe es um Hilfe zur Selbsthilfe: Wie bediene ich eine inter-aktive Schreibtafel? Wie kann ich die Theorie mit Grafiken, Videoclips und 3D-Animationen aufpeppen, um sie zielgerichteter zu vermitteln? „Wichtig ist es auch, vorhandene Software richtig zu nutzen und deren Möglichkeiten auszuschöpfen“, sagt Christian Posselt. Die Nachfrage zeigt, wie wichtig das Projekt ist: „Der Bedarf, Coachings und Schulungen aus dem Projekt wahrzunehmen, ist riesig!“
Unterdessen setzt die Kammer in der Ausbildung bereits gewerkespezifische Software ein. Schreiner und Fliesenleger etwa nutzen ein Programm für den digitalen Innenausbau, und in der Kfz-Werkstatt ist ein Pilotprojekt mit einer Lernplattform am Start. Für die Ausbilder ist die Umstellung bisweilen eine Herausforderung: „Unsere Dozenten und Meister haben sich sehr vieles schon selbst beigebracht“, sagt Janster. „Die Programme sind aber zum Teil so komplex, dass die Kollegen froh für jede Unterstützung sind.“ Der Mehrwert sei für beide Seiten groß, betont Posselt und nennt dafür ein Beispiel: „Schon heute können die Lehrlinge sich über QR-Codes bestimmte Arbeitsvorgänge ansehen, bei Bedarf auch mehrmals. Und wenn sie Unterrichtsstoff nachholen oder auffrischen möchten, können sie dies jederzeit über digitale Medien tun.“ Das entlaste auch die Lehrenden.
Das Projekt ist offen für Ausbilder, die eine Lehrtätigkeit mit digitalen Schnittstellen ausüben (wollen) und in Rheinland-Pfalz beschäftigt sind. Wer wissen möchte, wie digitales Lernen funktioniert und sich neue Technik einbinden lässt, welche digitalen Tools und Plattformen es gibt und sie in der Praxis erproben will, kann sich gerne an die Projektmitarbeiter wenden.