LeistungswettbewerbDas Gute liegt so nah
Ein kaufmännischer Beruf bietet viele Möglichkeiten, sagte sich Nina Weber aus Erden und entschied sich nach dem Fachabitur für eine Ausbildung zur Versicherungskauffrau. Eigentlich hatte ihr etwas ganz anderes vorgeschwebt. Doch sie war unsicher, ob sie als Frau tatsächlich ins Handwerk gehen sollte: „Damals hatte ich mich schon für männertypische Berufe interessiert. Ich habe mich aber nicht getraut, diesen Schritt zu machen.“ Obwohl sie in ihrem Bürojob unzufrieden war, zog sie die Ausbildung pflichtbewusst durch. Der Zufall wollte es, dass Nina dann doch noch den richtigen Beruf für sich entdeckt hat. Der Stein kam ins Rollen, als sie auf einer Karnevalssitzung Anne Berg aus der Erdener Dachdeckerei Berg Dach + Schiefer traf. Die beiden kannten sich schon lange aus dem Erdener Dorfleben und kamen ins Gespräch. Anne Berg bot Nina ein Praktikum in der Dachdeckerei an. Inzwischen arbeitet sie dort als Gesellin.
Ihre Vorbehalte und Bedenken sind längst vom Tisch
An der Seite von fünf Gesellen, einem Meister und zwei Auszubildenden fühlt Nina sich anerkannt und wertgeschätzt. „Dachdeckerinnen sind keine so große Sensation mehr wie früher“, sagt Markus Berg, Firmenchef und Obermeister der Dachdeckerinnung Bernkastel-Wittlich. „Dennoch haben wir uns vor Ninas Ausbildung gemeinsam gründlich überlegt, was auf alle Beteiligten zukommt. Am Ende waren wir alle davon überzeugt, dass das eine gute Sache wird.“
Was Nina am Dachdeckerhandwerk besonders schätzt: „Draußen arbeiten, die tolle Aussicht über den Dächern, die abwechslungsreichen Aufgaben. Und am Abend kann ich sehen, was ich am Tag geschafft habe. Das erfüllt mich mit Freude.“ Gleich zu Beginn ihrer Ausbildung war sie an der Neueindeckung der 300 Jahre alten Kirche in Erden beteiligt. Für Nina war das ein Volltreffer – nicht nur, weil Kirchen ihre bevorzugten Baustellen sind. „In meinem Heimatort am Kirchenschiff von St. Anna mitgewirkt zu haben, ist für mich etwas ganz Besonderes. Darauf bin ich noch heute stolz.“ Umgekehrt können die Erdener stolz auf das junge Dachdeckertalent aus ihrem Heimatort sein: Nina hat beim Bundesleistungswettbewerb im Dachdeckerhandwerk den zweiten Platz geholt und sich damit für die Dachdecker-WM 2024 qualifiziert.
Lebenslanges Lernen ist Ninas Motto – im Sommer fängt ihr Meisterkurs an
Auch in Sachen Weiterbildung will das junge Handwerkstalent hoch hinaus: „Ich möchte beruflich nicht stehenbleiben, sondern laufend dazulernen“, sagt die 25-Jährige und zählt verschiedene Schritte auf ihrer Karriereleiter auf, darunter einen Vorarbeiterlehrgang, den Staplerschein, einen Bleilehrgang. Ein Dach mit der Drohne aufzumessen, beherrscht sie genauso wie die Bedienung des hauseigenen Autokrans mit Arbeitsbühne. Bald wird sie in Schleswig-Holstein einen Lehrgang in Sachen Reetdachtechnik besuchen: „Mal was anderes“, freut sie sich. Ihre Weiterbildung zur Dachdeckermeisterin will die energiegeladene Erdenerin noch in diesem Jahr beginnen. Berg Dach + Schiefer ist auf Naturschiefer und altdeutsche Deckung spezialisiert. Diese Technik wird auch überregional nachgefragt, sodass das Team auch mal auf Montage ist. In der Regel ist um 6 Uhr Abfahrt zur Baustelle. Nach zehn Stunden ist Feierabend und ab Freitag schon Wochenende. Die Vier-Tage-Woche praktiziert der Betrieb schon lange. Nina gefällt das alternative Arbeitszeitmodell zur klassischen 40-Stunden-Woche: „Wenn es in der Mittagshitze zu warm ist, um auf dem Dach zu arbeiten, machen wir halt länger Pause als sonst und gehen zum Beispiel eine Runde schwimmen. Und ein langes Wochenende zu haben, ist sowieso toll.“ So hat sie in jeder Woche drei Tage am Stück frei.
Viel Bewegung an frischer Luft ist Ninas Ding: Sie mag Wandern, Radfahren und Fußballspielen. Großgeworden ist sie in einem alten Winzerhaus. Dort wohnt sie heute noch mit ihren Eltern. Das Dach ist – wie könnte es anders sein – aus Schiefer. „Da muss man eines Tages auch mal ran“, sagt die junge Fachkraft. Keine Frage, dass Nina daran beteiligt sein wird – für die junge Dachdeckergesellin eine Ehrensache! Ohnehin schreibt sie Berufsehre groß. Selbstbewusst trägt sie die traditionelle schwarze Dachdeckerkluft. „Den Koppelgürtel mit Zunftzeichen hat Nina erst getragen, nachdem sie ihre Gesellenprüfung bestanden hatte“, sagt ihr Chef anerkennend. „Den wollte sie sich erst verdienen.“ Auf die Walz zu gehen, kann sich die junge Moselanerin allerdings nicht vorstellen: „Dafür bin ich viel zu heimatverbunden. Ich bin hier verwurzelt und mit meinem Leben rundum zufrieden.“