Dachdecker-WMBronzemedaille für Matthias Kremer aus Trier
Mit seinen 25 Jahren wäre er weder Dachdecker- noch Klempnermeister und vermutlich auch kein Weltmeister – zumindest nicht im Handwerk. „Ich habe lange gezweifelt, ob Handwerk das Richtige für mich ist“, sagt Matthias, der in seinem Jahrgang das drittbeste Abi hingelegt hatte. „Heute bin ich sehr froh, dass ich damals auf mein Bauchgefühl gehört und nicht studiert habe. Wer Zweifel hat, soll es einfach ausprobieren“, findet er. „Mir macht es jedenfalls riesigen Spaß, Handwerker zu sein!“ Den elterlichen Betrieb, Konrad Kremer Bedachungen in Trier, wird er daher wahrscheinlich in einigen Jahren übernehmen und in die neunte Generation führen.
In der Schule werde ein falsches Bild vom Handwerk vermittelt, sagt Matthias, so habe er es zumindest erlebt – etwa im Hinblick auf die Verdienstmöglichkeiten. Denn wer früher beginne zu arbeiten, habe ja in jungen Jahren schon Einkünfte: „Gerade in meinem Alter kann man Geld doch am dringendsten gebrauchen“, weiß der frischgebackene Jungmeister, „wenn man zum Beispiel eine Familie gründen oder Wohneigentum erwerben möchte. Und wer ein gutes Einkommen hat, muss weniger Kredite aufnehmen und kann von besseren Konditionen profitieren.“ Auch im Alltag sei Einkommen hilfreich, etwa wenn der junge Handwerksmeister sich mit seinen studierenden Freunden abends lieber in einem gepflegten Gasthaus als in einer Parkanlage auf einen Bierumtrunk treffen möchte. Er selbst hatte mit 21 Jahren bereits seinen Gesellenbrief in der Tasche und mit Mitte zwanzig schon zwei Meistertitel!
Was Matthias Kremer sich vornimmt, das schafft er auch. Wie jüngst bei der Dachdecker-WM in St. Gallen, wo er und seine Teampartnerin Julia Peetz aus Tübingen unbedingt aufs Siegertreppchen wollten. Das hat sogar unter erschwerten Bedingungen geklappt: Statt in ihrer bevorzugten Kategorie „Flachdach“ mussten sie umständehalber in der Sparte „Metalldach“ antreten. „Anfangs trieb uns die knifflige Aufgabe ordentlich Schweißperlen auf die Stirn“, erzählt der WM-Bronzemedaillengewinner. „Knackpunkt war das Schweißen des Traufabschlusses, eine gerundete Schweifung mit 25 Millimeter Abschluss. Das haben wir zuvor noch nie so gemacht, in Deutschland arbeiten wir anders. Die Wettkampfaufgabe enthielt noch weitere Details, die uns so noch nirgends begegnet waren. Rundungen an der Traufe zum Beispiel sind bei uns nicht üblich.“
Auch der Zeitdruck sei heftig gewesen: „Die Aufgabe war äußerst anspruchsvoll und zeitlich im Grunde nicht zu schaffen. Von den angetretenen 40 Teams sind nicht einmal die erstplatzierten Schweizer fertig geworden. Zeitlich lagen wir im hinteren Drittel. Was uns letztendlich gerettet hat: Bei der Umsetzung der Aufgabe waren wir ganz dicht am Plan – mehr noch als das Schweizer Team“, freut sich Matthias. Weltmeisterlich habe auch das zweitplatzierte ungarische Team gearbeitet. „Es war schon ein sehr, sehr cooles Gefühl, sich mit solch begnadeten Handwerkern auf einer WM zu messen“, sagt der drittbeste Dachdecker der Welt. Aufgeregt sei er nur am Anfang gewesen, bis der Traufabschluss richtig gesessen habe. „Ja, das war schon eine Nummer! So eine Chance ist schließlich einmalig. Und die gilt es zu nutzen! Ein grober Fehler lässt sich kaum noch ausbügeln, und es gibt ja keine Nachprüfung. Wenn du dich in der Hektik verschneidest, brauchst du zu lange, um ein neues Blech anzufertigen. Und damit wärest du im Grunde schon raus. Also muss jeder Handgriff sitzen.“
Schon die Ausrüstung zeigt, wie perfektionistisch die Weltspitze arbeitet. An die 100 Werkzeuge hatte das deutsche Dachdecker-Duo Kremer/Peetz nach St. Gallen mitgebracht. „Viele hatten spezielle Werkzeuge dabei, die wir noch nicht kannten“, so der Spitzenhandwerker, „zum Teil sogar selbstgeschweißte Zangen – voll schlau! Ich habe viel Neues bei dieser WM gelernt, und diese tolle Erfahrung möchte ich auf keinen Fall missen!“ Zukunftspläne? Nach der bereits absolvierten Weiterbildung zum Gebäudeenergieberater vielleicht doch noch ein Studium? „Im Handwerk gibt es noch genug zu lernen“, sagt Überflieger Matthias. „Wozu also studieren? Nein, als nächstes wollen wir unseren Betrieb modernisieren. Da fällt viel Arbeit an! Und mit 30 kann ich Sachverständiger werden. Das habe ich dann auch vor.“ Eins kann der junge Doppelmeister und WM-Titelträger aber offenbar gar nicht gut: die Hände in den Schoß legen.